Einleitung: Wenn der Darm aus dem Takt gerät – Was ist das Reizdarmsyndrom?
Das Reizdarmsyndrom (RDS), auch als Irritable Bowel Syndrome (IBS) bekannt, ist weit mehr als nur ein „nervöser Magen“. Es handelt sich um eine der häufigsten und wichtigsten funktionellen Darmerkrankungen, die weltweit Millionen von Menschen betrifft und deren Lebensqualität erheblich beeinträchtigt. Schätzungen zufolge sind in Deutschland, je nach den verwendeten Diagnosekriterien, zwischen 4 % und 17 % der Bevölkerung betroffen, was das RDS zu einer der häufigsten gastrointestinalen Störungen macht.1 Global leiden mindestens 10 % der Menschen an dieser Erkrankung.3 Frauen sind dabei statistisch gesehen häufiger betroffen als Männer, wobei das Verhältnis bei etwa 2:1 liegt.2
Aus medizinischer Sicht ist das RDS durch wiederkehrende Bauchbeschwerden oder Schmerzen gekennzeichnet, die typischerweise mit mindestens zwei der folgenden Merkmale in Verbindung stehen: einer Beziehung zum Stuhlgang, einer Änderung der Stuhlfrequenz oder einer Veränderung der Stuhlkonsistenz.5 Die Symptome halten chronisch über mehr als drei Monate an und beeinträchtigen die Betroffenen in ihrem Alltag und ihrer Lebensqualität.2
Ein entscheidender Paradigmenwechsel im Verständnis dieser Erkrankung ist die Erkenntnis, dass das Reizdarmsyndrom keine rein psychosomatisch bedingte Erkrankung ist. Lange Zeit wurde die Störung fälschlicherweise als eine reine „Kopfsache“ oder Folge von psychischem Stress angesehen, was bei den Betroffenen oft zu Stigmatisierung und einem Gefühl der mangelnden Ernsthaftigkeit ihrer Beschwerden führte.8 Diese veraltete Sichtweise ignorierte die Tatsache, dass die Symptome tatsächlich vorhanden sind und auf nachweisbaren körperlichen Veränderungen beruhen.10 Die moderne Medizin und die aktualisierten medizinischen Leitlinien, wie die S3-Leitlinie von 2021, definieren das Reizdarmsyndrom heute als eine Störung der Darm-Hirn-Interaktion, die auf einem komplexen Zusammenspiel organischer Ursachen beruht.7 Dieses neue Verständnis legitimiert den Leidensweg der Patienten und unterstreicht die Notwendigkeit eines umfassenden, multimodalen Behandlungsansatzes, der über die reine Psychotherapie hinausgeht. Es ist eine klare Botschaft an die Betroffenen: Das Leiden ist real, und die Suche nach wirksamer Linderung ist absolut gerechtfertigt.